RE: Selber testen - aber wie?

#1 von u. kulick , 22.12.2010 11:59

Hier

http://www.mi-fo.de/forum/viewtopic.php?t=28222

haben wir neulich das Thema beleuchtet, wie kommerziell das Kamera- und Objektiv-Testgewerbe funktioniert und ob diese "Test-Industrie" Ergebnisse zeitigt, die wissenschaftlichen Kriterien überhaupt standhalten oder überhaupt von Nutzen sind.

In den Laden gehen, die Geräte selber prüfen, und Zeitschriften/Online-Tests komplett ignorieren ist dabei hier eine vielleicht "extreme" aber dafür doch sehr weit verbreitete Ansicht. Eine Variante davon ist: Minolta-Forum lesen und Tests ignorieren. Aber die Minolta-Forum-Diskussionen sind selbst beeinflusst von denjenigen Forumsmitgliedern, die den veröffentlichten Tests Beachtung schenken.

Aber vielleicht sind manche der "extremen" Fraktion hier nun auf den Geschmack gekommen, mit etwas systematischeren Mitteln selber zu prüfen. Unsere Diskussion ergab, dass manchmal die Test-Software erschwinglich ist, die Test-Charts dazu aber wirklich "extrem" teuer.

Hier eine gerade entdeckte Quelle von Norman Koren: Lens testing. Darin, o Schreck, auch Links zu den nunmehr bekannten kommerziellen Produkten wie "Imatest", und sogar noch teureren USAF-Test-Charts, dies bitte ich zu ignorieren, denn für den Preis einer einzigen solchen Chart bekommt man eine wirklich gute Kamera!

Aber Koren stellt weiter unten auf der Seite seine selbst entwickelte Objektiv-Test-Chart zur Verfügung und noch weiter unten eine Methode, Messaufnahmen des Charts mit einer kostenlosen Public-Domain-Software ImageJ zu untersuchen.

Außerdem ein weiteres interessantes Kapitel zu Kameralinsen: Tiefenschärfe und Diffraction


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RE: Selber testen - aber wie?

#2 von stevemark , 23.12.2010 00:36

ZITAT(u. kulick @ 2010-12-22, 11:59) ... ob diese "Test-Industrie" Ergebnisse zeitigt, die wissenschaftlichen Kriterien überhaupt standhalten ...[/quote]
Vermutlich schon.

ZITAT(u. kulick @ 2010-12-22, 11:59) oder überhaupt von Nutzen sind.[/quote]
Das ist eine gute Frage!

ZITAT(u. kulick @ 2010-12-22, 11:59) Aber Koren stellt weiter unten auf der Seite seine selbst entwickelte Objektiv-Test-Chart zur Verfügung und noch weiter unten eine Methode, Messaufnahmen des Charts mit einer kostenlosen Public-Domain-Software ImageJ zu untersuchen.
...[/quote]

Für mich persönlich sind Testcharts ungeeignet, um das Leistungsvermögen eines Objektivs sinnvoll zu beurteilen. Schlussendlich entscheidet bei mir das Bild -

1) Kommen die Details? In der Mitte, am Rand, in den Ecken? ... und wie hängen sie von der Blende ab? Stören Farbfehler?
2) Wie kommen die Details für den jeweiligen Einsatzzweck: zu flau, richtig, oder zu kontrastreich?
3) Wie sieh die Hintergrund (un)schärfe aus (Bokeh)?
4) Stören Reflexe und Überstrahlungen?
5) Stört die Vignettierung beim jeweiligen Einsatzzweck? Oder verbessert sie die Bildwirkung?
6) Stört die Verzeichnung beim jeweiligen Einsatzzweck - oder ist sie irrelevant?
7) Sind Gewicht und Grösse angenehm?
8) Wie läuft die Fokussierung, und zwar per AF und manuell?
9) und nicht zuletzt - wie fühlt sich das Fotografieren mit dem jeweiligen Objektiv an (Wertigkeit, Haptik, ... vielleicht auch Farbe usw.)?

Ich habe ja nicht zuletzt deswegen begonnen, Bilder zu vergleichen, weil die von der Testindustrie erzeugten Punktebewertungen schlussendlich immer wieder dermassen unsinnig (d. h. meiner praktischen Erfahrungen widersprechend) waren, dass ich sie einfach als wenig oder gar irrelevant als für den Fotografen ansehen musste - und gelegentlich sogar offenkundig als falsch.

Will man ein Objektiv umfassend werten, so muss man längere Zeit mit ihm gearbeitet haben. Ich bin gerade dabei, für eine neue Serie im Fotospiegel historische Zeiss-Objektive näher anzuschauen. Diese Objektive würden wohl bei jedem Industrie-Test komplett durchfallen - und doch eignen sie sich bestens, um wunderbare Bilder aufzunehmen.

Die Fach-Tests sind so "wissenschaftlich" geworden, dass sie nicht mehr viel aussagen; im Gegenteil - sie verhindern, dass "charaktervolle" Objektive (und damit meine ich nicht "schlechte"!! vom geneigten Fotografen zur Kenntnis genommen, ausprobiert, geschätzt und kreativ genutzt werden. Damit fördert die Testindustrie eine uniforme und schlussendlich langweilige Auslegung der Objektive.

Hier neben mir steht ein Takumar 4/100mm Macro mit M42 Anschluss, das ich an die A900 adaptieren kann. Die Bildwirkung ist komplett verschieden von derjenigen des MinAF 2.8/100mm Macro: viel feiner, sanfter, kontrastärmer - aber mit eher mehr Details als beim Minolta. Das Pentax Takumar 4/100mm ist ein Heliar, also ein modifiziertes Triplet; also ganz anders aufgebaut als das MinAF 2.8/100mm. Gerade eingetrudelt ist ein frühes Pentax Takumar 2.3/35mm, das wunderschön zu leichten Übertrahlungen neigt, und - man höre und staune - wesentlich weniger CAs als das MinAF 2/35mm oder gar das Sony 1.4/35mm hat. Auch das Bokeh ist sehr gut. Im Labor oder mit Testtafeln würde es wohl durchfallen.

Genau aus diesen Gründen habe ich für das Alpha-Systembuch auch keine einzige Testtafel fotografiert, aber (bis auf eine Handvoll Ausnahmen) mit jedem einzelnen Objektiv zahlreiche Aufnahme in der Praxis gemacht. Wenn dann zwischen zwei Objektiven fast keine oder gar keine Unterschiede auszumachen sind, so steht das auch so in der Beurteilung - obwohl der Testtafelmarathon sicherlich einen Sieger kreiert hätte...

Gr Steve


http://www.artaphot.ch


 
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RE: Selber testen - aber wie?

#3 von PeterS ( gelöscht ) , 23.12.2010 08:20

Gibt es eigentlich eine 2. Kunstform die so techniklastig ist wie die Fotografie? Ich würde generell vorschlagen lieber etwas mehr zu fotografieren anstatt zu testen:-)

lG. Peter


PeterS

RE: Selber testen - aber wie?

#4 von aidualk , 23.12.2010 12:02

ZITAT(PeterS @ 2010-12-23, 8:20) Ich würde generell vorschlagen lieber etwas mehr zu fotografieren anstatt zu testen:-)[/quote]

Ich möchte schon recht exakt die Stärken und Schwächen meiner Objektive kennen um sie dann entsprechend einsetzen zu können. Von daher gehört das testen auch einfach mit dazu. Warum man aber dafür weniger "fotografieren" würde, weil man seine Sachen testet, leuchtet mir nicht ein...

viele Grüße

aidualk


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RE: Selber testen - aber wie?

#5 von ingobohn , 23.12.2010 12:16

ZITAT(PeterS @ 2010-12-23, 8:20) Gibt es eigentlich eine 2. Kunstform die so techniklastig ist wie die Fotografie? Ich würde generell vorschlagen lieber etwas mehr zu fotografieren anstatt zu testen:-)[/quote]
Gibt es eigentlich eine zweite Kunstform, die so phrasenlastig ist wie ein Forum?


"Das mit dem Leben habe ich nicht so drauf. Ich sehe lieber anderen dabei zu." (Frank Goosen, So viel Zeit)


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RE: Selber testen - aber wie?

#6 von Reisefoto , 23.12.2010 13:13

ZITAT(PeterS @ 2010-12-23, 8:20) Gibt es eigentlich eine 2. Kunstform die so techniklastig ist wie die Fotografie? Ich würde generell vorschlagen lieber etwas mehr zu fotografieren anstatt zu testen:-)[/quote]

Schwer zu sagen, aber ich finde das ist einer der schönen und interessanten Aspekte der Fotografie! Ich mag Technik, teste gern und fotografiere gern. Wenn man sein Handwerkszeug nicht genau kennt, verschenkt man einiges an Potenzial.


www.reiseundbild.de


 
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RE: Selber testen - aber wie?

#7 von Reisefoto , 23.12.2010 13:17

ZITAT(ingobohn @ 2010-12-23, 12:16) Gibt es eigentlich eine zweite Kunstform, die so phrasenlastig ist wie ein Forum?
[/quote]


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RE: Selber testen - aber wie?

#8 von GBayer , 23.12.2010 13:24

ZITAT(stevemark @ 2010-12-23, 0:36) ... ...
Für mich persönlich sind Testcharts ungeeignet, um das Leistungsvermögen eines Objektivs sinnvoll zu beurteilen. Schlussendlich entscheidet bei mir das Bild -

1) Kommen die Details? In der Mitte, am Rand, in den Ecken? ... und wie hängen sie von der Blende ab? Stören Farbfehler?
2) Wie kommen die Details für den jeweiligen Einsatzzweck: zu flau, richtig, oder zu kontrastreich?
3) Wie sieh die Hintergrund (un)schärfe aus (Bokeh)?
4) Stören Reflexe und Überstrahlungen?
5) Stört die Vignettierung beim jeweiligen Einsatzzweck? Oder verbessert sie die Bildwirkung?
6) Stört die Verzeichnung beim jeweiligen Einsatzzweck - oder ist sie irrelevant?
7) Sind Gewicht und Grösse angenehm?
8) Wie läuft die Fokussierung, und zwar per AF und manuell?
9) und nicht zuletzt - wie fühlt sich das Fotografieren mit dem jeweiligen Objektiv an (Wertigkeit, Haptik, ... vielleicht auch Farbe usw.)?

Ich habe ja nicht zuletzt deswegen begonnen, Bilder zu vergleichen, weil die von der Testindustrie erzeugten Punktebewertungen schlussendlich immer wieder dermassen unsinnig (d. h. meiner praktischen Erfahrungen widersprechend) waren, dass ich sie einfach als wenig oder gar irrelevant als für den Fotografen ansehen musste - und gelegentlich sogar offenkundig als falsch.

Will man ein Objektiv umfassend werten, so muss man längere Zeit mit ihm gearbeitet haben. Ich bin gerade dabei, für eine neue Serie im Fotospiegel historische Zeiss-Objektive näher anzuschauen. Diese Objektive würden wohl bei jedem Industrie-Test komplett durchfallen - und doch eignen sie sich bestens, um wunderbare Bilder aufzunehmen.[/quote]
Falls Du dazu Lust hast, würde ich Dir gerne mein Minolta MD 100-500 mm/F 1:5,6 Zoom Macro für eine Deiner Testreihen zur Verfügung stellen. Deine Beurteilung wäre für mich wirklich sehr, sehr interessant. Wahrscheinlich nicht für mich alleine, wenn es sich auch um ein eher seltenes Exemplar handelt.

Servus
Gerhard


Alle Menschen sind klug. Die einen vorher,die anderen nachher.

...ein Bild von mir in unserer Galerie..


 
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RE: Selber testen - aber wie?

#9 von J.L. , 23.12.2010 14:10

ZITAT(Reisefoto @ 2010-12-23, 13:13) ZITAT(PeterS @ 2010-12-23, 8:20) Gibt es eigentlich eine 2. Kunstform die so techniklastig ist wie die Fotografie? Ich würde generell vorschlagen lieber etwas mehr zu fotografieren anstatt zu testen:-)[/quote]

Schwer zu sagen, aber ich finde das ist einer der schönen und interessanten Aspekte der Fotografie! Ich mag Technik, teste gern und fotografiere gern. Wenn man sein Handwerkszeug nicht genau kennt, verschenkt man einiges an Potenzial.
[/quote]

Ja, auch meine Meinung. Man muß nicht testen, um sein Handwerkszeug zu kennen. Man muß nur damit arbeiten. Die Bildwirkung verschiedener Objektive auf verschiedene Motive läßt sich wunderbar durch echte Fotografien beurteilen - und weniger durch genormte Testcharts.

Gruß,
Jochen


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RE: Selber testen - aber wie?

#10 von Reisefoto , 23.12.2010 17:08

ZITAT(Guthorst @ 2010-12-23, 14:10) Die Bildwirkung verschiedener Objektive auf verschiedene Motive läßt sich wunderbar durch echte Fotografien beurteilen - und weniger durch genormte Testcharts.[/quote]

Testen muss sich beileibe auch nicht nur auf Testcharts beschränken. Testcharts (oder andere standardisierte Motive) vereinfachen nur manches und stellen mitunter eine unentbehrliche Voraussetzung für objektive Vergleiche dar. So mache Einschätzung von Objektiven und Kameras von durchaus erfahrenen Fotografen stellt sich bei genauerer Untersuchung als pure Einbildung / Selbsttäuschung heraus. In weniger qualifizierter Form taucht das auch auf, wenn jemand ein paar ("real world" Bilder seines neuen Superobjektivs verkleinert auf 800x600 zeigt und die staunende Zuschauergemeinde dann schreibt, was für ein tolles Objektiv das sei, obwohl in diesem Maßstab ein Foto mit dem alten Kit 18-70 annähernd genauso ausgesehen hätte.

Zu einem Test gehören also Testanordnungen wie z.B. von Imaging-Resource und ergänzend selbstverständlich auch Fotos aus realen Aufnahmesituationen. Vom System her zeigen die Tests bei Dpreview, wie man vorgehen sollte, wobei es in der praktischen Umsetzung dort auch gelegentlich Probleme (z.B. Fehlfokus) gibt.

Zu den so objektiv vergleichbaren Dingen wie Auflösung, Rauschen usw. kommen aber weitaus schwieriger vergleichbare Eigenschaften hinzu, wie z.B. der Autofokus oder die Handhabung. Der AF fällt in vielen Tests einfach unter den Tisch und die Beurteilung der Handhabung hängt von den persönlichen Vorlieben des Testers ab. Daher lohnt es sich, viele verschiedene Tests zu lesen.

Hinzu kommt, dass man, solange man z.B. ein Objektiv noch nicht gekauft hat, keine ernsthafte Möglichkeit hat, es ausreichend auszuprobieren. Und nur auf Verdacht möchte ich mein sauer verdientes Geld nicht ausgeben.

Aber sollte es in diesem Thread nicht darum gehen, sinnvolle Vorgehensweisen für einem Test zu identifizieren und möglichst genau zu beschreiben, damit Fakten und keine Glaubensbekenntnisse entstehen?


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