RE: Größere Schärfentiefe kleinerer Sensoren

#1 von ChrisA , 09.03.2005 09:32

Hallo,

ich beschäftige mich schon eine Weile gedanklich mit der Frage, warum digitale Kompaktkameras bei gleicher Blende, gleicher KB-Brennweite und gleichem Objektabstand eine größere Schärfentiefe "erzeugen".

Fest steht, dass die Schärfentiefe nur von Blende und Abbildungsmaßstab abhängt. Auf Grund kleinerer Sensoren und des damit verbunden Grob-Faktors, sind die in kompakten Digitalkameras eingebauten Objektive extreme Weitwinkel. Diese besitzen naturgemäß bei gleichem Objektabstand eine größere Schärfentiefe. So ist bspw. die Hyperfokaldistanz wesentlich kleiner. Allerdings wird doch praktisch durch das geringere Aufnahmeformat automatisch ein Ausschnitt bezogen auf das Kleinbildformat gemacht. Durch diese Vergrößerung müssten sich doch auch die Unschärfekreise vergrößern und damit die Schärfentiefe gleich bleiben.

Andreas Feininger macht in seinem Buch "Die große Fotolehre" folgendes Experiment. Er fotografiert eine Szene vom gleichen Standpunkt aus mit einem Weitwinkel und einer höheren Brennweite. Anschließend vergrößert er einen Ausschnitt aus dem ersten Bild, sodass es sich genau mit dem zweiten Bild deckt. Der Ausschnitt und das zweite Bild sind technisch identisch. (Er bezieht das hauptsächlich auf die Perspektive, aber ich habe es so verstanden, dass es auch für die Schärfentiefe gilt.) Warum gilt das nicht auch für einen Ausschnitt durch einen kleineren Sensor?

Irgendwo muss ich einen Denkfehler haben... /huh.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="huh.gif" />

Viele Grüße,
Chris



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RE: Größere Schärfentiefe kleinerer Sensoren

#2 von RainerT , 09.03.2005 10:29

Wenn ich das noch richtig im Kopf habe, so ist die Schärfentiefe von den genannten Faktoren abhängig die du genannt hast. ABer nur im Macrobereich. Im Normalbereich (Abbildungsmaßstab 1:10 oder größer) nicht mehr. Da gibt es folgende Regel.

Wenn man mit einer Kompaktdigi und einer Kleinbild SLR vom gleichen Punkt das gleiche Motiv fotografiert ist der Aufnahmeabstand gleich. Wenn man davon ausgeht, das die Blende bei beiden Objektiven gleich ist, so bleibt als einzige Variable die Brennweite übrig (und natürlich auch der Unschärfekreisdurchmesser).
Hier die Formel dazu.

Vordere Schärfentiefe = d * F * a² / (f² + d * F * a)
Rückwärtige Schärfentiefe = d * F * a² / (f² – d * F * a)

f: Brennweite
F: Blende
d: Unschärfekreisdurchmesser
a: Aufnahmeabstand

Wie du an den beiden Formeln sehen kannst, gehen Brennweite und Aufnahmeabstand quadratisch in die Berechnung ein. Alle anderen Parameter nicht. Da der Aufnahmeabstand ja bei der Grundlage identisch ist, spielt die Brennweite die größte Rolle.

Als Beispiel hier einige Werte für drei Brennweiten und zwei Unschärfekreisedurchmesser. Beide mit Aufnahmeabstand 1000mm
Front Schärfentiefe:
100mm BW/ F11/ Unschärfekreisdurchmesser 0,03mm = 32mm
100mm BW/ F11/ Unschärfekreisdurchmesser 0,01mm = 11mm
50mm BW/ F11/ Unschärfekreisdurchmesser 0,03mm = 117mm
50mm BW/ F11/ Unschärfekreisdurchmesser 0,01mm = 42mm
10mm BW/ F11/ Unschärfekreisdurchmesser 0,03mm = 767mm
10mm BW/ F11/ Unschärfekreisdurchmesser 0,01mm = 524mm

Klar spielt der Unschärfekreisdurchmesser eine Rolle, aber die Brennweite ist doch etwas dramatischer! /wink.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="wink.gif" />

PS: Hoffentlich habe ich nichts falsches erzählt.



 
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RE: Größere Schärfentiefe kleinerer Sensoren

#3 von ChrisA , 09.03.2005 10:53

Hallo,

ZITATWie du an den beiden Formeln sehen kannst, gehen Brennweite und Aufnahmeabstand quadratisch in die Berechnung ein. Alle anderen Parameter nicht.[/quote]

das erklärt es. Vielen Dank! /good.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="good.gif" />

Viele Grüße,
Chris



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RE: Größere Schärfentiefe kleinerer Sensoren

#4 von Dennis , 09.03.2005 13:30

Zitat von Helios
Fest steht, dass die Schärfentiefe nur von Blende und Abbildungsmaßstab abhängt.


Nein, zu allererst hängt die Schärftentiefe (DOF, depth of field) von einem zuerst zu definierenden zulässigen Zerstreuungskreisdurchmesser (COF, circle of confusion) ab. Dieser ist keinesfalls fest, und ändert sich mit dem Aufnahmeformat und dem Ausgabeformat, er hängt also alleine vom später angestrebten Vergrößerungsfaktor ab. Insofern müßte man eigentlich für jedes Ausgabeformat eine andere DOF-Tabelle erstellen (bei gleichem Bildformat). Die bei KB verwendeten COF's sind teilweise bei den Herstellern unterschiedlich, da man eben unterschiedliche Ausgabeformate, Betrachtungsabstände und Auflösungsvermögen des Auges unterstellen kann. Im Mittel liegt er aber bei 0,03mm. Es ist aber zB auch eine altbekannte Regel, daß man, wenn man einen großen Abzug plant, die Blende eine Stufe weiter schließen soll, als die Objektivskala angibt.

Unterstellt man einer Digi, daß mit ihr gleich große Abzüge gemacht werden sollen, wie mit einer KB-Kamera, dann muß zunächst mal wegen des wesentlich kleineren Bildformates auch der COF schrumpfen, und zwar um genau den Faktor, der das Verhältnis Chip-Format : Digi-Format angibt. Hier muß man sich aber noch einigen, da CCDs in der Regel das Format 4:3 haben, während KB ja 3:2 hat, auf welche Kante oder Diagonale man diesen Faktor bezieht. Das heißt, zunächst müßte eigentlich wegen des kleineren COF's die DOF auch kleiner sein.

Da nun aber eine Digi eine kürzere Brennweite verwenden muß, um auf den gleichen Sehwinkel zu kommen, ergibt sich daraus ein kleinerer Abbildungsmaßstab. Und jetzt kommt der Haken bei der Sache: Die obige Aussage von Dir ist nur bei Gegenstandsweiten gültig, die kürzer als ein Viertel der Hyperfokalweite für die kürzeste Brennweite sind. Da aber diese Gegenstandsweite im Gegensatz zu Brennweite, Abbildungsmaßstab und COF konstant bleibt, kommen wir in den Bereich, wo die Brennweite sehr wohl einen Einfluß auf die DOF hat. Und da wir hier im Bereich sehr kurzer Brennweiten arbeiten, ist die DOF entsprechend groß.

ZITATAuf Grund kleinerer Sensoren und des damit verbunden Grob-Faktors, sind die in kompakten Digitalkameras eingebauten Objektive extreme Weitwinkel.[/quote]
/huh.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="huh.gif" /> Grob-Faktor? /biggrin.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="biggrin.gif" />
Was soll das denn sein. Und extreme Weitwinkel sind es nur auf KB bezogen. Bei meiner RB67 ist 50mm ein extremes Weitwinkel. Man kann das nur innerhalb eines Systems betrachten, eine Brennweite ist nie ein Weitwinkel oder Tele.

ZITATDurch diese Vergrößerung müssten sich doch auch die Unschärfekreise vergrößern und damit die Schärfentiefe gleich bleiben.[/quote]
Nein, damit die DOF im Abzug gleich bleibt (das ist ja das Ziel), müssen die COF's im Bild (Film, Chip) kleiner sein, und zwar um den Betrag des Formatfaktors.

ZITATEr fotografiert eine Szene vom gleichen Standpunkt aus mit einem Weitwinkel und einer höheren Brennweite. Anschließend vergrößert er einen Ausschnitt aus dem ersten Bild, sodass es sich genau mit dem zweiten Bild deckt. Der Ausschnitt und das zweite Bild sind technisch identisch. (Er bezieht das hauptsächlich auf die Perspektive, aber ich habe es so verstanden, dass es auch für die Schärfentiefe gilt.)[/quote]
Nein, das gilt nur für die Perspektive, und nicht für die DOF. Denn bei gleicher Gegenstandsweite und unterschiedlicher Brennweite erhältst Du unterschiedliche Abbildungsmaßstäbe, was ja lt. Deiner obigen Aussage zu unterschiedlicher DOF führt.
Was Du wahrscheinlich meinst, ist ein Experiment, wie jenes hier:
http://www.luminous-landscape.com/tutorials/dof2.shtml
"In fact, if the subject image size remains the same, then at any given aperture all lenses will give the same depth of field."
Leider erzählt der große Meister hier nur die halbe Wahrheit: Wenn Du jetzt mal über die Größenverhältnisse die Gegenstandsweite schätzt, dann wirst Du sehen, daß Du hier noch im Bereich kleiner viertel Hyperfokalweite bist. Und da ist seine Aussage in soweit richtig, als daß die tatsächlichen Fehler vernachlässigbar klein sind. Hätte er jetzt auf ein weiter entferntes Objekt fokussiert, zB die Baumgruppe im Hintergrund, dann hätte er feststellen müssen, daß die DOF sehr wohl von der Brennweite abhängt.

Im Endeffekt sind wir jetzt aber doch wieder bei den Abbildungsmaßstäben, denn wenn wir Personen oder andere Gegenstände aufnehmen, sind wir automatisch im unkritischen Bereich von ca. 1:15 bis 1:80 bei KB. Bei einer Digi benötigen wir aber wesentlich kleinere Abbildungsmaßstäbe auf Grund des kleineren Bildformates. Bei gleicher Gegenstandsweite und kleinrem Abbildungsmaßstab brauchen wir eine kürzere Brennweite. Bei gleicher Blende und kürzerer Brennweite erhalten wir eine kürzere Hyperfokalweite, d.h. unsere Gegenstandsweite wandert aus dem Bereich kleiner 1/4 alte Hyperfokalweite in den Bereich größer 1/4 neue Hyperfokalweite. Und die Auswirkung der Brennweite auf die Schärfentiefe ist bei kurzen Brennweiten wesentlich dramatischer, als bei langen Brennweiten.

ZITATKlar spielt der Unschärfekreisdurchmesser eine Rolle, aber die Brennweite ist doch etwas dramatischer![/quote]
Nur nochmal als Denkanstoß:

Es gibt keine Schärfentiefe.

Der Anfang aller DOF-Berechnungen ist das Maß an Unschärfe, das ich zu akzeptieren bereit bin. Es gibt natürich nicht-optische Grenzen für die Schärfe: Die Struktur des Filmes oder Chips. Das Negativ oder das Digi-Bild ist ja nur eine Zwischenstufe. Das, worin sich die DOF bemerkbar macht, ist das ausgegebene Bild. Wenn Du einen Kontaktabzug mit einem 9x13 und einem 30x45 Abzug vergleichst, wirst Du bei gleichem Negativ große Unterschiede in der DOF feststellen. Du hast nämlich bei allen drei Formaten andere COF's.

Weiterhin muß man immer bedenken, daß die Blendenzahl nur die Lichtstärke angibt, und mit der DOF grundsätzlich nichts zu tun hat. Die Blendenzahl gibt das Verhältnis von Eintrittspupille zu Brennweite an, und definiert somit den Kegel des einfallenden Lichtes. Die DOF hängt aber von dem Winkel ab, unter dem der Strahlenkegel auf die Filmoberfläche trifft, und der wird durch die Austrittspupille definiert. Eintritts- und Austrittspupille werden im Pupillenverhältnis in Relation zueinander gesetzt, nur wenn das bei zwei verschiedenen Optiken gleich ist, sind die Blenden DOF-mäßig vergleichbar. Das ist aber selten der Fall, insbesondere wenn man ein WW mit einem Tele vergleicht, wird man sehr unterschiedliche Pupillenverhältnisse vorliegen haben. Dann ist zwar F8 belichtungsmäßig gleich (wenn man vom Lichtschwund durch Absorption und Reflexion absieht), aber DOF-mäßig ganz unterschiedlich.



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RE: Größere Schärfentiefe kleinerer Sensoren

#5 von RainerT , 09.03.2005 14:23

ZITATEs gibt keine Schärfentiefe.

Der Anfang aller DOF-Berechnungen ist das Maß an Unschärfe, das ich zu akzeptieren bereit bin. Es gibt natürich nicht-optische Grenzen für die Schärfe: Die Struktur des Filmes oder Chips. Das Negativ oder das Digi-Bild ist ja nur eine Zwischenstufe. Das, worin sich die DOF bemerkbar macht, ist das ausgegebene Bild. Wenn Du einen Kontaktabzug mit einem 9x13 und einem 30x45 Abzug vergleichst, wirst Du bei gleichem Negativ große Unterschiede in der DOF feststellen. Du hast nämlich bei allen drei Formaten andere COF's.[/quote]

Stimmt, es gibt nur eine Unschärfe die man bereit ist zu akzeptieren. Das schwankt natürlich von Person zu Person. Ein sehr stattlicher Teil aller Menschen kommt mit dem typischen COF von 0,025mm bei KB zurecht. Einige möchten es mit Sicherheit genauer (Wobei kleiner als 0,01mm schon ziemlich schwierig ist), anderen reicht auch ein COF von 0,1 (etwas übertrieben). Die von mir angegebene Formel ist ein Berechnung bezogen auf Kleinbild mit den doch recht üblichen 0,03mm.
Bei Mittelformat werden, wie du schon sagst sind deutlich größerer COF vorhanden (ca. 0,05-0,1). Bei Großformat durchaus auch mal 0,3-0,5. Es muß natürlich klar sein, das es keine klare Grenze von "scharf" zu unscharf gibt, sondern nur ein "von - bis" das man akzeptiert.
Und natürlich spielt das Aufnahmeformat und das Endformat eine große Rolle. Deshalb empfinden viele Leute ja ihre 10x15 Bilder knackscharf, wenn sie aber das ganze als 30*45 sehen sind alle frustriert. Sobald man das ganze wieder mit angemessenem Abstand betrachtet, an der die Auflösung des Auges die Unschärfe nicht mehr wahrnimmt, ist fast alles wieder in Butter (Naja, meistens).

Trotz allem lernt man in der Ausbildung zum Fotografen obige Formel bzw. deren Ursprung oder Derivate, damit man sich zumindest eine grobe Vorstellung machen wie das Bild wirkt.



 
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RE: Größere Schärfentiefe kleinerer Sensoren

#6 von ChrisA , 09.03.2005 15:41

Vielen Dank an Dennis und Cat für die ausführlichen Erläuterungen. So gesehen waren so ziemlich alle Annahmen in meinem ersten Beitrag falsch. /rolleyes.gif" style="vertical-align:middle" emoid="" border="0" alt="rolleyes.gif" /> Jetzt weiß ich erst mal bescheid.

Viele Grüße,
Chris



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