Ist "Street Photography" tot?

#1 von jpolzfuss , 24.09.2020 15:24

Hallo!

Ist "Street Photography" in Deutschland überhaupt noch erlaubt? Scheinbar darf man im öffentlichen Raum nicht mehr Fotos von Fremden machen, ohne vorher deren Erlaubnis einzuholen: https://www.anwalt.org/201a-stgb/ Laut diesem Paragraphen darf man laut der Webseite zudem auch keine Aufnahmen von Personen machen, "welche unter dem Einfluss von Alkohol bzw. Drogen stehen." Auch Obdachlose darf man scheinbar nicht mehr fotografieren: https://www.urheberrecht-leipzig.de/foto...r-personen.html Damit scheiden in Berlin sehr viele Gegenden aus, da dort immer irgendwelche Obdachlosen oder Besoffene/Drogenkranke zu finden sind.
Wenn man die Fotos nur für "sich selbst" macht, wird man sich ja wohl kaum auf die Kunst-, bzw. Pressefreiheit berufen können, oder?
Auch in anderen Ländern scheint es ähnliche Gesetze zu geben, siehe z.B. https://expertphotography.com/street-photography-laws/ und https://www.diyphotography.net/photographing-streets-law-uk/

Wie seht ihr das? Ist das Thema damit gestorben?

Jörg


 
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RE: Ist "Street Photography" tot?

#2 von u. kulick , 25.09.2020 14:36

Neulich kam ich zufällig in Frankfurt/M durch die Moselstraße. Zum Glück war Ziel meines Fotowalks nur ein ganz bestimmter Wolkenkratzer. Sonst hätte ich vielleicht den Übermut entwickelt, das überaus traurige Szenario dieser Straße aufzunehmen, das wirklich aussieht wie das Zentrum eines Armen-Ghettos, wie man es in der reichen, angeblich "lebenswertesten Stadt Deutschlands" niemals erwarten würde. Des "Rechtes am eigenen Bild" wohlbewusst habe ich in der ganzen Straße die Kamera garnicht erst in die Hand genommen. Denn wenn ein Anwalt von deiner Anwalts-Homepage sich des Falles annähme, ginge es vielleicht glimpflich aus, aber das "Recht am eigenen Bild" ist meist denjenigen Leuten wohlbekannt, von denen Du es niemals erwarten würdest, darunter auch Leute, die zur Selbstjustiz greifen und dir Gewalt androhen, und wenn du nicht gescheit reagierst, diese wohl auch ungehemmt ausüben würden. Also gib Obacht, Street Photography ist eigentlich nur noch bei Sehenswürdigkeiten möglich, wenn dir jemand zufällig ins Bild läuft- Wenn erkennbar ist, dass du nicht gezielt die Person, sondern die Sehenswürdigkeit fotografiert hast, ist das Bild evtl. verwendbar. Eine weitere Ausnahme sind "zeitgeschichtliche Ereignisse", zum Beispiel eine Fridays For Future-Demo an einem weltweiten Aktionstag wie heute. Aber versuch mal, eine anarchokommunistische Demo zu fotografieren. Lieber nicht, rat ich dir, nicht mal von hinten. Die haben ihren eigenen Fotografen, und auf den Bildern sind dann nur Gespenster zu sehen. so als sollten deren Demos garnicht ernst genommen werden.

Bleiben die Skater-Hotspots, wenn Du die Leute da vorher fragst, turnen sie dir womöglich gerne ihre Kunststückchen vor. Aber auf keinen Fall, wenn derjenige schon außer Puste ist, in Gefahr bringen soll er sich nicht für dein Foto. Oder wenn eine Kapelle zum Volksfest spielt, freuen die sich, wenn jemand noch mit seinen Fotos letzlich Werbung macht für ihre althergebrachte Form der musikalischen Unterhaltung. Aber schon beim Straßenmusiker kannst Du nicht sicher sein, ob eine Euro-Münze demonstrativ in seinen Hut geworfen reicht, oder ob er nicht so seine Vorstellung von einem "Tarif" für einen Schnappschuss hat.


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RE: Ist "Street Photography" tot?

#3 von jpolzfuss , 26.09.2020 23:56

Tja, das ist alles sehr unnötig kompliziert geworden. Mittlerweile muss man schon aufpassen, wenn man die eigene Familie fotografieren will, dass einem kein Fremder durchs Bild läuft und dann etwas vom „Recht am eigenen Bild“ erzählt...
Liegt es an einer geänderten Einstellung zur Fotografie? Daran, dass jetzt wegen der ganzen Handys gefühlt viel mehr fotografiert wird? Oder daran, dass Dienste wie Facebook eine Gesichtserkennung machen, wodurch man ggf. nicht sehr lange der „unbekannte Passant“ bleibt...


 
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