RE: Der "grosse David"

#1 von stevemark , 06.08.2011 19:47

Vor einigen Tagen ist mir der legendäre "Grosse David"* untergekommen, ein 600seitiges Handbuch der praktischen Photographie um 1900. Der "Grosse David" war (und ist) das Standardwerk über klassische Photograpie im deutschsprachigen Raum - und der war um 1900-1940 absolut tonangebend. Und auf der allerersten Seite findet sich - Werbung für das Zeiss Tessar

Ich werde in lockerer Reihenfolge Interessantes und Skurriles aus diesem Werk vorstellen.

Der "Grosse David" stammt aus jener Zeit, in der die "kleine Reisekamera" das Negativ-Format 13x18 cm hatte, die Glas-Platten noch selbst präpariert wurden und man Innenaufnahmen gegebenenfalls mit frei abbrennendem Magnesiumpulver ausleuchten musste. War das Negativ dennoch zu schwach geworden (Belichtungsmesser existierten noch nicht, und die Empfindlichkeit einer selbst gegossenen Platte musste in einem umständlichen Verfahren bestimmt werden), so "verstärkte" man es mit einer Quecksilberchlorid- oder Uran-Nitrat-Lösung.

Cyanotypie, Gummieisenpapier und Negrographie sind ebenso beschrieben wie Pigment-, Gummi-, Öl- und Bromöldruck. Natürlich fehlen weder Angaben zur kompletten Herstellung von Silberchlorid-Platten noch die Vorschriften für die Herstellung von Bromsilber-Papieren. Ja, "Papieren" - denn Kunststoff-basierte Träger gab es damals noch nicht.

Wollte man dann ein farbiges Abbild der Realität haben, so musste man drei s/w-Negative durch gefärbte wässrige Lösungen (blauviolett, grün, rot) hindurch aufnehmen und dann drei entsprechend komplementär gefärbte Bromöldrucke übereinander "printen". Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, welcher Aufwand damals für ein einziges Bild getrieben wurde.

Es finden sich interessante Hinweise zur Architektur und Gestaltung eines Photo-Ateliers, und eine "richtige" Reproduktionskamera konnte durchaus einige Meter lang sein (bei einem Negativ-Format von 50x60 cm). Erste Hand-Spiegelkameras (mit 9x12 cm Negativen) tauchen auf - trefflich umschrieben mit dem Satz

"Die Spiegelkamera ist ein kostspieliger Apparat, aber wegen der leichten Kontrolle der Bildwirkung und Bildschärfe bis unmittelbar vor der Aufnahme besitzt sie einen grossen Wert für Gelegenheitsbilder, ... Genrebilder und künstlerische Photographei im allgemeinen ..."

Der erste Beitrag sei dem Thema "Aufnahmen bei künstlichem Licht" gewidmet. An sich eine trockene Materie, müsste man meinen - aber ... wartet ab

Gr Steve

* Ludwig David, Generalmajor a. D.: "Photographisches Praktikum - Lehrbuch der Photographie"; Verlag von Wilhelm Knappe, Halle (Saale), vierte Auflage 1921.


http://www.artaphot.ch

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stevemark
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