RE: Interview mit Naoki Miyagawa über das SEL-55F18Z

#1 von matthiaspaul , 05.04.2014 15:58

Bruno Labarbere von Focus Numeriques hat ein interessantes Interview mit Naoki Miyagawa, dem jungen Entwickler des hervorragenden E-Bajonett-Objektiv Sony Carl Zeiss Sonnar T* FE 1,8/55mm ZA (SEL-55F18Z), geführt:

http://www.lesnumeriques.com/objectif/renc...ment-a1818.html

Ein paar Auszüge aus dem Interview versuche ich mal inhaltlich wiederzugeben:

Naoki Miyagawa ist erst 30 Jahre alt, wurde von Sony frisch von der Uni verpflichtet und arbeitet in Sonys Optical Design Department 2. Er war dort für das optische Design des SEL-55F18Z verantwortlich. Daneben hat er auch am SAL-1650 und SEL-70200G gearbeitet, bevorzugt nach eigener Aussage allerdings Festbrennweiten. Als persönlichen Ansporn und Vorbild sieht er das STF (SAL-135F28).

Er erklärt, daß das Sony E 1,8/35mm (SEL-35F18), das Sony Carl Zeiss Sonnar T* FE 2,8/35mm ZA (SEL-35F28Z) und das Sony Carl Zeiss Sonnar T* FE 1,8/55mm ZA (SEL-55F18Z) auf ein ähnliches optisches Grunddesign zurückgehen.
Es hätten verschiedene Typen zur Auswahl gestanden, u.a. ein Planar-Design (1896 von Paul Rudolph) mit Doppel-Gauss-Gruppen, das aber den generellen Nachteil hätte, daß sich aufgrund des fast symmetrischen Aufbaus während der Fokussierung alle Linsen gleichzeitig bewegen müssen (Formen der Auszugsfokussierung), und daß es dazu neige, Streulicht einzufangen.
Deshalb hätte er letztlich ein Sonnar-Design gewählt, ein vom Ernostar abgeleiteten Typ, das 1930 von Ludwig Bertele bei Zeiss entworfen wurde. Sonnare ermöglichten Konstruktionen mit Innenfokussierung und neigten dazu, Streulicht nach außen wegzuleiten und resultierten so in besserem Mikrokontrast und Auflösung im Vergleich zu Planaren. Problematisch sei lediglich, daß Sonnare typischerweise eher für kurze Auflagemaße geeignet seien, was in einem Objektiv für das E-Bajonett mit seinem Auflagemaß von 18mm jedoch kein Problem darstelle (fürs A-Bajonett aber sehr wohl). Nach viel Optimierungsarbeit sei es ihm gelungen, das SEL-55F18Z auf ein Niveau zu bringen, das mit dem Zeiss Otus Apo Distagon T* 1,4/55mm vergleichbar wäre - nur viel kleiner, günstiger, mit Autofokus, aber eine halbe Blende weniger lichtstark. [Siehe auch: http://www.mi-fo.de/forum/index.php?showto...st&p=303949]

Darauf angesprochen, warum das SEL-55F18Z ein "Carl Zeiss"-Label trüge, wenn doch er derjenige sei, der für die optische Rechnung verantwortlich ist, antwortete er, daß die Ingenieure von Carl Zeiss ihnen im Rahmen der Geschäftsbeziehungen durch ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der Qualitätskontrolle viel geholfen hätten. Die Leute bei Sony seien zwar als Japaner schon gewissenhaft, aber die Deutschen seien noch viel pingeliger auf diesem Gebiet. [Diesbezüglich siehe auch: http://www.mi-fo.de/forum/index.php?showto...st&p=303926]

Er führt weiter aus, daß Sony bei der Entwicklung der Objektive sehr auf die Auflösung und das Bokeh achte, und daß Sensoren mit 36 Megapixel ihnen keinen Freiraum für Fehler mehr gebe. Gerade beim SEL-55F18Z, das häufig voll geöffnet benutzt würde, hätte man darauf geachtet, das, was sie "Zwiebelringe" nennen würden, also Halos um unscharf abgebildete Spitzlichter, zu minimieren. Für eine sanfte Abbildung des Hintergrunds sei auch die kreisrunde Blende verantwortlich. Die Abstimmung sei besonders in Kombination mit asphärischen Oberflächen schwierig, die sie zur Korrektur von chromatischen Aberrationen und Koma einsetzen würden. [Mein Einwurf: Diesen Zusammenhang zwischen Blende und asphärischen Linsen verstehe ich nicht. Übersetzungsfehler?]

In Bezug auf eine Diskussion um das in der Redaktion herumstehende Muster eines Summilux-M 50 mm f/1.4 ASPH, entwickelt von Peter Karbe bei Leica, führt Naoki Miyagawa fachmännisch aus, daß es sich bei diesem Objektiv weder um ein Planar, noch um ein Sonnar handele, und meinte, daß er voll hinter Karbes Philosophie stehe, daß die Öffnung eines Objektivs in erster Linie für die Gestaltung der Tiefenschärfe gut sei, nicht für die Belichtung. Das Summilux sei ja dem Hörensagen nach im Rahmen einer zehn Jahre andauernden freien Entwicklungsarbeit bei Leica entstanden, und er würde als Optikdesigner davon träumen, auch einmal unter solchen Idealbedingungen arbeiten zu können - abseits von Zeitvorgaben und Budgets - und z.B. ein 1,4er oder 1,2er 85mm-Objektiv für das E-Bajonett entwickeln zu können. Vorerst bliebe das aber wohl ein Traum.

Viele Grüße,

Matthias

PS.
- Yosuke Aoki, Digital Imaging Vice President Sony Europe (links)
- Atsushi Ueda, Qualitätsingenieur für Sony A- und E-Bajonett-Objektive (mittig)
- Naoki Miyagawa, Optikdesigner für Sony A- und E-Bajonett-Objektive (rechts)


"All the important human advances that we know of since historical times began
have been due to individuals of whom the majority faced virulent public opposition."
--Bertrand Russell

http://www.mi-fo.de/forum/viewtopic.php?t=13448 (Minolta Forum Thread Index)

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RE: Interview mit Naoki Miyagawa über das SEL-55F18Z

#2 von Phillip , 05.04.2014 21:58

vielen Dank für die Übersetzung, sehr interessantes interview!

grüße,
Phillip


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RE: Interview mit Naoki Miyagawa über das SEL-55F18Z

#3 von ddd , 06.04.2014 14:26

ZITAT(matthiaspaul @ 2014-04-05, 15:58) [Mein Einwurf: Diesen Zusammenhang zwischen Blende und asphärischen Linsen verstehe ich nicht. Übersetzungsfehler?][/quote]
nein, Kontextfehler

Der Satz "Die Abstimmung sei besonders in Kombination mit asphärischen Oberflächen schwierig" bezieht sich auf den Satz mit den "Zwiebelringen", nicht auf den Satz mit der "kreisrunden Blende".

(Gepresste/gefräste) Asphären verursachen diese zwiebelringartigen Artefakte in den Streuscheiben ausserhalb der Schärfeebene. Es wird behauptet, dass Leica dies verhindert, indem die Asphären nachpoliert werden, jedenfalls habe ich bei den Leica ASPH noch keine Zwiebelringe gesehen. Wenn es Naoki Miyagawa gelungen ist, dieses Problem ohne die extrem aufwändige (manuelle?) Politur der Asphären zu lösen ...

Das ganze Interview (das ja sicher "von ganz oben" authorisiert wurde) macht auf mich den Eindruck, als wolle Sony durch das Herausstellen besonders begabter Entwickler Legendenbildung betreiben. Ganz unberechtigt scheint es ja nicht zu sein, das FE55F18 ist gut.

Die offene Aussage, dass Zeiss mit den ZA (egal ob A- oder E-mount) abgesehen von Qualitätskontrolle (und m.W. Messgeräten) wenig zu tun hat, ist neu. Wir wissen das schon lange, aber bislang wurde es sowohl von Sony wie von Zeiss anders dargestellt.

-thomas


wieder da ...


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RE: Interview mit Naoki Miyagawa über das SEL-55F18Z

#4 von Neonsquare , 06.04.2014 16:00

ZITAT(ddd @ 2014-04-06, 13:26) Das ganze Interview (das ja sicher "von ganz oben" authorisiert wurde) macht auf mich den Eindruck, als wolle Sony durch das Herausstellen besonders begabter Entwickler Legendenbildung betreiben. Ganz unberechtigt scheint es ja nicht zu sein, das FE55F18 ist gut.[/quote]

Das habe ich mir auch schon eine zeitlang gedacht. Sony scheint da die dahinterstehenden Personen mehr ins Blickfeld der Kundschaft zu ziehen. Ich schätze das gehört zu einer Initiative um hier das Image des "Walkman/Playstation-Herstellers" abzulegen. Sony muss hart kämpfen um im Fotobereich als Mitspieler ernst genommen zu werden.


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RE: Interview mit Naoki Miyagawa über das SEL-55F18Z

#5 von aidualk , 06.04.2014 16:13

ZITAT(matthiaspaul @ 2014-04-05, 14:58) ... daß die Ingenieure von Carl Zeiss ihnen im Rahmen der Geschäftsbeziehungen durch ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der Qualitätskontrolle viel geholfen hätten. Die Leute bei Sony seien zwar als Japaner schon gewissenhaft, aber die Deutschen seien noch viel pingeliger auf diesem Gebiet. [Diesbezüglich siehe auch: http://www.mi-fo.de/forum/index.php?showto...st&p=303926][/quote]

Das hat aber wohl beim FE35mm/2.8 nicht viel geholfen. Ich hatte bisher drei (! dezentrierte an meiner Kamera.


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RE: Interview mit Naoki Miyagawa über das SEL-55F18Z

#6 von stevemark , 07.04.2014 10:41

ZITAT(aidualk @ 2014-04-06, 16:13) ...
Das hat aber wohl beim FE35mm/2.8 nicht viel geholfen. Ich hatte bisher drei (! dezentrierte an meiner Kamera.[/quote]

Sind die 35er dezentriert - oder ist es Deine Kamera bzw. der Sensor? Wir hatten ja damals bei der Dynax 7D auch jenen Testbericht in einer renommierten deutschen Fachzeitschrift, in dem fast alle an der Dynax 7D getesteten Minolta-Objektive als "stark dezentriert" bezeichnet wurden ...

Gr Steve


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RE: Interview mit Naoki Miyagawa über das SEL-55F18Z

#7 von stevemark , 07.04.2014 10:59

Interessante News - und speziell interessant, dass inzwischen einige Punkte realisiert wurden, die ich beim von Sony Schweiz organisierten Meeting mit dem Objektiv-Chefkonstrukteur von Sony ansprach:

* einheitliches Objektiv-Design
* Personalisierung / Hintergrundinfos von Seiten der Konstrukteure
* das MinAF 4-4-5/28-135mm
* Sonnare (2011 eine höchst unübliche Auslegung für hochlichtstarke Normalobjektive)

Interessant auch die Erwähnung von f1.2-Designs im obigen Interview - das damals ans Meeting mitgebrachte MC 1.2/58 löste vielsagendes Schmunzeln aus, so dass ich allen Grund zu Annahme habe, dass damals ein solches Objektiv in der Vorbereitung war - inzwischen wohl aufgrund von Tsunami, Finanzproblemen und dem schleichenden Untergang des Alpha-Bajonetts schubladisiert. Ein f1.2 fürs E-Bajonett müsste/könnte wohl ganz anders ausgelegt werden ...

Und zum Schluss noch eine ergänzenden Information zu jungen Objektivkonstrukteuren: Auch das legendäre Leica R 2.8/70-180mm war das Erstlingswerk einer jungen Konstrukteurin, die gleich nach der Hochschule bei Leica angefangen hatte ... Klar, der damalige Chefdesigner mit seiner Erfahrung wird auch beim 2.8/70-180mm leitend zu Seite gestanden sein, aber dennoch ...

Gr Steve


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#8 von aidualk , 07.04.2014 11:15

ZITAT(stevemark @ 2014-04-07, 10:41) ZITAT(aidualk @ 2014-04-06, 16:13) ...
Das hat aber wohl beim FE35mm/2.8 nicht viel geholfen. Ich hatte bisher drei (! dezentrierte an meiner Kamera.[/quote]

Sind die 35er dezentriert - oder ist es Deine Kamera bzw. der Sensor? [/quote]

Ich nutze ja nicht nur das eine Objektiv an der Kamera.

Nachdem ich 2 Exemplare zurück geschickt hatte, habe ich das dritte dann behalten und zu Schuhmann geschickt, und ein sehr gut zentriertes (nicht perfekt aber sehr gut) zurück bekommen.


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